Deshalb wird Burnout häufig mit Depression verwechselt
Für das Burnout-Syndrom gibt es (Stand 2020) keine eigene ICD-10-Diagnose.
Wer wegen des Burnout-Syndroms eine Behandlung sucht, muss daher einen Umweg gehen. Über eine Ersatzdiagnose bzw. Z-Diagnose (Zusatzdiagnose) kann es möglich werden, von der Krankenkasse die Kosten der Behandlung eines Burnout-Syndroms erstattet zu bekommen. Allerdings geht das meistens nur dann, wenn vom Therapeuten eine Ersatzdiagnose wie „mittelgradige depressive Episode“ (F.32.1) gewählt wird.
Burnout-Betroffene erleben bei der Diagnostik eine doppelte Herabwürdigung
- Erst haben sie sich aufgrund weit überhöhter Ansprüche an sich in einen Zustand von höchster Erschöpfung begeben.
- Dann erfahren sie auch noch, dass die als wenig belastbar abgestempelt werden.
Menschen mit Burnout-Symptomatik können einige Anzeichen von Depressionen zeigen – sie sind aber nicht depressiv
Wer das Krankheitsbild des Burnout-Syndroms in Frage stellt, hat einen wesentlichen Zusammenhang nicht verstanden.
Zur Entstehungsgeschichte einer Depression zählen z. B. folgende Faktoren
- Neigung zur Selbstabwertung
- Wunsch, die Vergangenheit nachträglich zu ändern
- Pessimistische Prognosen hinsichtlich des eigenen Lebens
- Verschuldungsangst
- Versündigugsvorstellung
hema, welchem sich Johannes Faupel hier widmet, ist leider ständig aktu- ell, und das schon seit längerer Zeit, mit zunehmender Intensität. Allein in Deutsch- land geht man davon aus, dass die Zahl der Krankheitstage für sogenannte psychi- sche Erkrankungen im Durchschnitt bei ca. 25 Tagen pro Person und Jahr liegt, die volkswirtschaftlichen Kosten dafür werden auf ca. 30 Mrd. Euro geschätzt. Diese Zahl ist dabei ganz sicher deutlich zu niedrig gegriffen, denn z. B. für Burnout gibt es im Krankenkassensystem überhaupt keine ICD-Diagnose, für welche Betrof- fene eine Kostenzusage bekommen, da in der ICD-Klassifikation Burnout gar keine Diagnose-Ziffer hat, sondern nur als sogenannte Z-Diagnose (Zusatz-Dia- gnose) aufgeführt ist. Will jemand seine Beschwerden durch eine Krankenkasse bezahlt haben, muss er/sie sich dafür typischerweise z. B. die Diagnose „mittelgra- dige depressive Episode“(F.32.1) oder gar schwerere Bezeichnungen auferlegen lassen. So laufen quasi viele Betroffene „undercover“ unter einer anderen Dia- gnose, was die tatsächliche Häufigkeit des Auftretens von Burnout-Problemen deut- lich verzerrt.
Üblicherweise werden dann die Phänomene, die als Burnout bezeichnet wer- den, sowohl von der großen Mehrzahl der behandelnden ExpertInnen als auch von den Betroffenen selbst als Zeichen von Schwäche, Inkompetenz, Krankheit be- zeichnet und verstanden. Ich bin sehr froh, dass sich in diesem Buch hier der Autor in profunder Weise für eine ganz andere Sicht engagiert, nämlich für ein kompe- tenz- und ressourcenorientiertes Verständnis der Phänomene.
Das freut mich um so mehr, als ich selbst seit vielen Jahren für eine solche Sicht eintrete im Umgang mit den Phänomenen, die Burnout genannt werden. Als ein wichtiger Teil meiner Arbeit (ambulant am Milton-Erickson-Institut Heidelberg) und stationär in der sysTelios-Klinik kooperiere ich oft mit Menschen, die sich von diesen Phänomenen betroffen erleben. Das hat mich im Laufe dieser Arbeit immer mehr dahin gebracht, Burnout als Ausdrucksweisen von anerkennenswerten Kom- petenzen zu beschreiben und zu nutzen. Das klingt zunächst etwas merkwürdig, wahrscheinlich für viele Menschen bizarr oder gar zynisch, es ist natürlich anders gemeint.
Aus hypnosystemischer Sicht muss unterschieden werden zwischen be- wusst-willentlicher Absicht und unwillkürlichem Geschehen und dem damit ver- bundenen Blick auf Auswirkungen (die sich durchaus von der bewusst-willentli- chen Absicht unterscheiden können). Eine Burnout-Entwicklung wird ja aus unwillkürlichen Reaktionen gesteuert, die zum Teil auch unbewusst ablaufen – und erst das Ergebnis der massiven Erschöpfung dringt in die bewusste Wahrnehmung. Solche unwillkürlichen und unbewussten Prozesse zu verstehen, wird deshalb ent- scheidend. Ob etwas als Kompetenz angesehen werden kann, hängt dann weniger von der Absicht, sondern vor allem von der Wirkung ab, z. B. für die Person und ihren Umgang mit sich selbst und für die interaktionellen Wechselwirkungen, zu denen sie und andere beitragen (Kompetenz im Sinne von Wirkkraft).
Prüft man die Auswirkungen einer Burnout-Entwicklung, kann man für prak- tisch alle Betroffenen verstehbar machen, dass diese Entwicklung diverse Kompe- tenz-Aspekte mit sich bringt. So bewirkt ein massiver Erschöpfungszustand z. B., dass Betroffene sich endlich weniger perfektionistische Leistungs-Erwartungen auferlegen, was sie, solange sie noch Kraft spürten, sich nicht erlaubt haben. Zwar geht dies meist innerlich dennoch damit einher, dass sie das nicht an sich wert- schätzen und zu Selbstabwertung neigen, aber die vom Organismus ersehnte Ab- grenzung erfolgt dennoch mehr.
Weiter zeigt damit der Organismus in seiner nonverbalen Reaktion (der Sprache des Körpers) intensive und effektive Feedback-Prozesse aus dem intuitiven inneren Wissen darüber, dass der Person Wichtiges fehlt für eine gesunde, erfüllende Le- bensgestaltung. Dies kann so verstanden werden, als ob quasi eine hilfreiche
„Warnblink-Anlage“ starke Störungs-Rückmeldungen anzeigt, um auf den Mangel hinzuweisen und auf Behebung dieses Mangels zu drängen.
Wenn dann allerdings diese Entwicklung als Zeichen von Inkompetenz, Schwä- che usw. bewertet wird, mit dem Ziel, sie „wegzumachen“, kann diese wichtige Feedback-Chance weniger oder gar nicht genutzt werden.